Spielen ist für Kinder wie das Atmen: Sie tun es regelmässig und sie brauchen es ganz dringend. Wir Eltern spüren das und unterstützen unsere Kinder darin. Aber wissen wir eigentlich wirklich, was es heisst, zu spielen?

Egal ob im Fussball oder beim Gesellschaftsspiel: Wenn wir Erwachsenen spielen, tun wir es mit Regeln. Kleine Kinder hingegen brauchen keine Regeln. Sie spielen, ohne Endziel. Sie brauchen keine Anleitung und keinen Schiedsrichter. Ihr Spiel ist frei von Fehlern, von Konkurrenzdenken und ohne Gewinnabsichten. Und so wie sie spielen, haben wir alle einmal gespielt.
Leben auf Autopilot
Diese ursprüngliche Art des Spielens (engl. Original Play) geht mit dem Erwachsenwerden unter. Schule, Studium und Berufsalltag tragen dazu bei, dass wir uns an Regelsysteme gewöhnen. Es gibt Richtlinien, an die wir uns zu halten haben. Prüfungen, für die gelernt werden soll. Noten, die uns bewerten. Vorschriften, Gesetze, Regeln. Und immer jemanden, der uns über die Schulter blickt: Der Lehrer, der Dozent, der Vorgesetzte.
Und mit wachsendem Regelwerk geht uns der Sinn für das freie Spiel abhanden. Vieles läuft dann auf Autopilot: Lernen, prüfen, Termine einhalten. Freies, spontanes Spiel bleibt eine Sache der Kinder und Künstler.
Weniger Regeln, mehr Spiel
Dabei ist Spielen etwas, das uns allen gut tut. Und zwar das “ursprüngliche Spiel”, wie es der Psychologe Fred Donaldson auch bei Tieren beobachtete. Frei von Regeln, ohne Gewinner und Verlierer, ohne Bewertung und Ausgrenzung. “Es ermöglicht allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein liebevolles Miteinander zu erleben (…) und erweitert unsere Möglichkeiten, mitfühlend zu handeln.”
“Spielen ist, wenn wir nicht wissen, dass wir verschieden sind.”
Fünfjähriger Junge nach dem Spielen mit Fred Donaldson
Donaldson ist weltbekannter Spielforscher. In seinen Reisen um die Welt, ins Tierreich, und in Kinderzimmer, entdeckte er die Wichtigkeit des freien Spielens und warum es nicht nur Kindern gut tut. Original Play fördert “die emotionale Widerstandsfähigkeit, das Wohlbefinden und die soziale Kompetenz.” Es schafft “optimale Bedingungen für kognitives und sozial-emotionales Lernen – und ist gelebte Inklusion.”
Was genau ist Original Play?
Das ursprüngliche Spiel entsteht spontan in der Begegnung zwischen zwei Menschen, es ist unabhängig von Sprache und geschieht immer freiwillig. Kinder und Erwachsene lernen dabei, mit Konflikt, Stress und Angst umzugehen. Losgelöst von Smart Phones, Tablets und Bildschirmen, werden die körpereigenen Signale (wieder) wahrgenommen. Berührung, in geschützer und liebevoller Umgebung, wird zugelassen und soll im Idealfall den Unterschied zu unguter Berührung bewusst machen.
Donaldson hat es sich zum Ziel gemacht, diese Art des Spiels den Menschen wieder vertraut zu machen. Er besucht nicht nur Schulen, Kindergärten und Betreuungseinrichtungen, sondern auch Flüchtlingseinrichtungen, Pflegeheime und Firmen. Gewaltlosigkeit, Achtsamkeit und Präsenz werden in den Spieleinheiten gross geschrieben.
“Spielen ist, wenn niemand weint und niemand ein gebrochenes Herz hat.”
Vierjähriger Junge nach einer Original Play Spieleinheit
Das spielerische Gerangel, wie es bei Kindern oft beobachtet wird, ist genau das wonach es aussieht: spielerisches Gerangel. Das muss nicht angeleitet oder unterbunden werden. Ganz im Gegenteil, Eltern und Erzieher können daran teilhaben und es als Möglichkeit anbieten, Konflikte und Rivalität aufzubrechen, indem sie einen respektvollen, achtsamen und gewaltlosen Umgang im Spiel fördern.

Kindheit für alle!
Mit Regeln und Gesetzen werden Kinder früh genug vertraut. Cultural Play, das ist das kulturell inszenierte Spiel, das Regeln unterliegt, so beispielsweise Gesellschaftsspiele und Mannschaftssportarten. Im Original Play dürfen Kinder und Erwachsene einfach frei sein und dabei ganz natürlich lernen, dass Respekt und Achtsamkeit ihren Platz im Spiel haben.
“Kleine Kinder spielen aus dem gleichen Grund, wie Wasser fliesst und Vögel fliegen.”
Fred Donaldson
Als Erwachsene tendieren wir dazu, Kinder in ihrem Spiel anzuleiten und einzuschränken. Weit förderlicher ist es, sie einfach spielen und uns von ihnen dazu mitreissen zu lassen. Denn im Spiel sind die Kinder echte Meister. Lassen wir ihnen diesen Zauber. Bald schon erinnern sie uns an unsere Kindheit und Spiel für Spiel holen wir uns die eigene Magie zurück.
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